Schostakowitsch 10. Symphonie e-Moll op. 93
Atelier I zum Hochschulorchesterprojekt
Unter Mitwirkung verschiedener Dozenten der HfMT wurden an drei Tagen über Schostakowitschs Musik reflektiert und diskutiert. Beteiligt waren u. a. Reinhard Flender, Nina Noeske und Fredrik
Schwenk. Themen waren: Analyse der 10. Symphonie, Komponieren unter einer Diktatur, Kulturpolitik und Schostakowitsch-Rezeption im Ostblock und der DDR und das Spätwerk Schostakowitschs. Als
Gastdozent war Dr. Bernd Feuchtner eingeladen.
Worldmusic II – Begegnungen mit transkultureller Musik
Musikwissenschaftliches Blockseminar in Zusammenarbeit mit Martina Kurth
Heute gibt es kaum einen Musikstil der Welt, der nicht durch Videos auf youtube dokumentiert wird: Musik aus aller Welt ist überall verfügbar. Leben wir in der Zeit des globalen musikalischen
Tourismus oder in einer Epoche musikalischer Mehrsprachigkeit? Wie geht man mit dieser Vielfalt um? Jede Kultur und jede Musikkultur lebt zwischen zwei Polen: einerseits werden die eigenen
Traditionen kontinuierlich gepflegt und anderseits besteht die Neugierde, sich punktuell etwas Neuem zu öffnen. Das „Neue“ kann zunächst einmal das „Unerhörte“ schlechthin sein, oft ist es aber
auch das „Fremde“ im Sinne von dem „Exotischen“.
Die Musikgeschichte ist voll von solchen Aneignungen des fremden Klanges, angefangen mit der Türkenmode im 18. Jh über die „ungarischen Rhapsodien“ im 19. Jh bis hin zu der ausgefeilten
Adaption von Gamelanmusik bei Debussy oder ungarischer Bauernmusik bei Bartok. Auch die Geschichte der afroamerikanischen Popularmusik ist aus einer Verschmelzung zwischen Europäischen und
Afrikanischen Musikkulturen entstanden. Hier entsteht etwas Neues, das nicht mehr einer traditionellen Kultur zuzurechnen ist, sondern in der totalen Verschmelzung von westlicher Harmonik mit
ethnischen Klängen eine eigene Kunstform etabliert, wie Jazz, Blues, Rhythm & Blues Reaggy , Samba, Salsa, Highlife, Rai etc. Welche Bilder entstehen beim Hören von „exotischer“ Musik?
Spielen hier Klischees eine Rolle?
Als Gastreferent ist der Gründer und Leiter des Morgenland-Festivals Michael Dreyer für das Seminar eingeladen, der tradierte Orientbilder in seinem Festival hinterfragt.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können eigene bevorzugte und praktizierte Musikstile aus ihrer Region, aus ihrem Heimatland oder aus ihrer Wahlheimat vorstellen. Was sind die Spezifika diese
Musiksprache? Was kann man über Denken, Handeln und Fühlen einer Kultur lernen, wenn man in diese Musik hineinhört.
„Happy New Ears“ – Hören und Verstehen von Musik
Projekt-Seminar mit musikwissenschaftlich/musiktheoretischer Betreuung von Prof. Dr. Reinhard Flender und Prof. Elmar Lampson
Wenn ein Ton erklingt, dann erklingt eine ganze Welt. Diese eigene „Hörwelt“ ist für den Musiker eine selbstverständliche Realität. Wenn man aber hinterfragt, welche Prozesse im Ohr, im Gehirn, im Bewusstsein stattfinden, die das Hören sowie das Verstehen dessen, was man gehört hat, erst ermöglichen, dann stößt man auf sehr komplexe Zusammenhänge. Die Neurophysiologie kann erklären, wie die Schallwellen, die im Ohr wahrgenommen werden, verarbeitet und im Gehirn strukturiert und abgespeichert werden. Das Gehirn ist aber nicht nur ein Speichermedium, sondern filtriert, assoziiert und identifiziert diese komplexe Landschaft aus Schallwellen. Es ist aktiv am Hörprozess beteiligt. Schönberg nannte dies „schöpferisches Zuhören“. Damit stoßen wir auf die zentrale Frage: Welche Bewusstseins Prozesse werden initiiert, wenn wir hören? Wie setzen wir das neu Gehörte in Beziehung zu schon Gehörtem? In welcher Beziehung steht das Hören und Verstehen von Musik, das auf außermusikalische Bilder, Geschichten etc. verweist zu dem Hören und Verstehen von Musik als „absoluter Musik“? Während wir uns ziemlich schnell einig darüber sind, welches Bedeutungsfeld mit dem Wort ‚Stuhl‘ verknüpft ist, so werden wir solch einen Konsens nicht so schnell herstellen können, wenn wir über die Frage diskutieren, was C-Dur bedeutet oder der Dreiklang? Woher stammt eigentlich eine Kadenz und was bedeutet sie?
Musik ist so wie sie ist, jede in ihrer Art und ihrem Stil „selbstevident“. Sie erklärt sich selber. Aber oft brauchen wir die Sprache, um Musik zu erklären. In welcher Art und Weise nähern wir uns der musikalischen Realität, wenn wir nicht nur Musik hören sondern über Musik sprechen? Diesen Fragen werden wir phänomenologisch anhand von verschiedenen Musikstücken aus verschiedenen Stilen und Epochen nachgehen.
Am Ende des Seminars findet ein Konzert statt, in dem jede/r Teilnehmer/in Musik mit Sprache verknüpfen kann. Das kann als eine von vielen Möglichkeiten eine Moderation sein, aber auch einfach eine Gegenüberstellung eines literarischen Textes bzw. eines Gedichtes mit Musik.
Worldmusic I – Transkulturelle Musikstile in einer globalisierten Welt
Musikwissenschaftliches Seminar
Dieses Seminar ist auf zwei Semester ausgelegt. Im Sommersemester lernen wir die verschiedenen Stile und Trends der worldmusic-Szene kennen und analysieren ihre musikalische Faktur. Im WS 2014/15 werden wir uns dann fragen, welche kulturellen Werte, Lebensstile und Identitätskonstrukte mit diesen musikalischen Praktiken verbunden sind.
Transkulturelle Aneignungen sind in der Geschichte der afroamerikanischen Popularmusik regelmäßig zu beobachten. Hier entstehen neue Genres, die in der totalen Verschmelzung von westlicher Harmonik mit ethnischen Klängen und elektronischen Klangverarbeitung bzw. Verfremdungen eine eigene Kunstform etabliert haben. Highlife, Reggae, Samba, Salsa, haben dem Popmusikrepertoire neue Impulse gegeben. Peter Gabriels großes Interesse an Weltmusik ließ ihn das Projekt WOMAD (World of Music, Arts and Dance) ins Leben rufen, bei dem Musik, Kunst und Tanz aus verschiedenen Kulturen aufgeführt werden. Das erste WOMAD-Festival fand im Jahr 1982 in Shepton Mallett, England statt. Bis heute folgten rund 145 Veranstaltungen in 22 verschiedenen Ländern. Musik aus aller Welt ist heute überall verfügbar. Es gibt kaum einen Musikstil der Welt, der nicht durch Videos auf YouTube dokumentiert wäre. Deshalb liegt es nahe, dass sich daraus in beiden Bereichen der E- und U- Musik ständig neue Musikstile entwickeln, die unter dem Label worldmusic eklektisch mündlich überlieferte Musikformen aus aller Welt kombinieren und vermischen. In diesem neuen Genre verschwimmen die Grenzen zwischen traditioneller Volksmusik, Popularmusik und Konzertmusik.
Aber welche Bilder stecken hinter dem steigenden Konsum von worldmusic? Spielen hier Klischees eine Rolle? Leben wir in der Zeit eines globalen Musiktourismus oder in einer Epoche musikalischer Mehrsprachigkeit? Wir wollen diesem Phänomen an verschiedenen Beispielen nachgehen.
Neue Musik & Jazz in Hamburg
Musikwissenschaftliches Seminar/Forschungsprojekt in Kooperation mit dem musikwissenschaftlichen Institut der Universität Hamburg und der Elbphilharmonie.
Musikgeschichte kann rein chronologisch analysiert werden oder auch die „Raumdimension“ mit einbeziehen. Die traditionelle Musikgeschichtsschreibung selektiert Werke der Musikgeschichte und ihre Komponisten zu einem „Kanon“ und dieser Kanon wird von der Vergangenheit zur Gegenwart fortgeschrieben. Komponisten sind aber immer auch in ein soziales Umfeld eingebunden und wirken an bestimmten Orten und ihren kulturellen Institutionen. So waren die Hamburger Hauptkirchen sowie die Oper am Gänsemarkt im Barock die Träger neuer musikalischer Entwicklungen.
Hamburg hat als Musikstadt verschiedene Phasen durchlebt, in denen die musikalische Infrastruktur innovativ oder veraltet war. Das Fehlen einer Salonkultur, die in Wien, München oder Berlin das kulturelle Leben beflügelte, führte zur Abwanderung bedeutender Künstler in andere Kulturmetropolen. Im 20. Jahrhundert herrschte eine rege Aufbruchsstimmung, die neben Impulsen, die von dem neu gegründeten Schauspielhaus ausgingen, auch zu einer frühen Rezeption des Jazz geführt hat. Insbesondere nach 1945 übernahm Hamburg eine vorübergehende Führungsposition, bedingt durch die räumliche Isolierung Berlins jenseits des Eisernen Vorhangs.
Die Gründung der Musikhochschule 1953 durch den Busoni Schüler Philipp Jarnach und die legendäre Liebermann-Ära bescherten der Hansestadt kulturelle Höhenflüge. Der Komponist und Kulturmanager Rolf Liebermann verschaffte der Neuen Musik in der Konzertreihe „das neue werk“ internationale Aufmerksamkeit und gab als Intendant der Hamburger Staatsoper 36 Werke bei Komponisten aus aller Welt in Auftrag. Auch die Intendanz von Peter Ruzicka und Ingo Metzmacher setzten diese Impulse fort. Mit György Ligeti, Alfred Schnittke und Sofia Gubaidulina sind drei der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart eng mit Hamburg verbunden.
Welche Werke wurden in Hamburg uraufgeführt und welche ästhetischen Entwürfe bevorzugt? Wie kann man die Beziehung von Komponistinnen und Komponisten zu Hamburg beschreiben? Diese Fragen sollen durch eigene Forschungsarbeit beantwortet werden. Dabei steht das neue Festival für zeitgenössische Musik der Elbphilharmonie „Greatest Hits“ Pate für die Untersuchungen. Das Festival findet erstmals im November 2013 auf Kampnagel statt und ist nicht als Uraufführungsfestival konzipiert, sondern stellt die Frage nach den „Schlüsselwerken“ der Musik des 20./21. Jahrhunderts.
Von Mendelssohn bis Mahler
Komponisten und Interpreten aus jüdischen Familien im 19. Jahrhundert
Als Moses Mendelssohn, der Großvater von Fanny und Felix, die jüdische Assimilation proklamierte, waren diese beiden Ausnahmebegabungen die ersten schillernden Persönlichkeiten eines sozialen
Experiments. Jahrhundertelang hatten Juden und Christen getrennt voneinander gelebt und gearbeitet. Juden waren dabei die Projektionsfläche für kollektive Aggressionen, Pogrome und
Diskriminierungsmethoden gewesen. Nun, im Zeitalter der Aufklärung, sollte dieser Missstand beendet werden. Das Experiment schien zunächst zu glücken. Fanny und Felix wurden getauft und erhielten
den Namen Mendelssohn Bartholdy. Das Wunderkind Felix erhielt von seinen Eltern die denkbar beste Ausbildung, bezauberte Goethe mit seinem Klavierspiel und machte binnen weniger Jahre eine
Bilderbuchkarriere. Aber dann kam die Gegenreaktion. Der Revolutionär Richard Wagner stellte sich 1850 mit dem Buch Das Judentum in der Musik mit Erfolg an die Spitze einer
deutsch-nationalen, antisemitischen Bewegung, die im Nationalsozialismus ihren Höhepunkt erreichte. Mit einer perfiden Polemik und unverblümter Brutalität erreichte er, dass seine Vorgänger und
Förderer Mendelssohn und Meyerbeer aus dem kulturellen Archiv getilgt wurden. Mendelssohn war jung im Alter von 36 Jahren gestorben und hat diese „Mobbingstrategien“ des Emporkömmlings Wagner
nicht mehr erlebt. Umso mehr traf das Verdikt, Juden seien zu eigenschöpferischer Leistung nicht fähig, den Komponisten Gustav Mahler. Er konnte seine Werke nur durch überragende Leistungen als
Dirigent zu Gehör bringen. Eine Rezeption seiner Werke in Deutschland und Österreich wurde erst nach dem 2. Weltkrieg wieder möglich.
Am Beispiel von Mendelssohn, Meyerbeer und Mahler zeigt sich der verbissene Kampf, der im 19. Jahrhundert darum geführt wurde, wer in die kulturellen Archive aufgenommen werden darf. Dieser Kampf
verschärfte sich, nachdem mit Beethoven ein Komponist den Platz eines „Nationalhelden“ im Bewusstsein des deutschen Bürgertums eingenommen hatte. Die politische Einigung in Deutschland verlief im
19. Jahrhundert zäh und schleppend und Deutschland kompensierte seine Minderwertigkeitskomplexe gegenüber der Grande Nation (Frankreich) und dem British Empire durch den Begriff
der Kulturnation. Fortan wurden die kulturellen Archive politisiert. Diese Politisierung erreichte mit dem Nationalsozialismus ihren Höhepunkt. Wie in allen totalitären Staaten so zerstörte
dieser Prozess nachhaltig die Substanz der kulturellen Archive und eine Korrektur dieser Fehlentwicklung hat über ein halbes Jahrhundert in Anspruch genommen.
Das Seminar soll am Beispiel von Komponistinnen und Komponisten aus jüdischen Familien das Bewusstsein für die Ambiguität des kulturellen Werturteils schärfen. Auf welchen Voraussetzungen und
Konzepten beruht die Bewertung künstlerischen Schaffens? Wer entscheidet, wer in die kulturellen Archive aufgenommen wird? Komponierende Frauen wie Fanny Mendelssohn Hensel waren z. B.
grundsätzlich ausgeschlossen. Dabei werden wir die komplexe Interaktion zwischen Kulturpolitik, Markt, Kritikern sowie Wissenschaftlern genauer untersuchen.
„Paris 1913“
Moderiertes Konzertprojekt mit musikwissenschaftlich/musiktheoretischer Betreuung
Neues aus der Europäischen Kulturhauptstadt vor hundert Jahren.
Als zweiter Teil des musikwissenschaftlich/musiktheoretischen Moduls „Debussy und die Folgen“ bereiten wir ein moderiertes Konzertprojekt zum Thema: „Was war neu in Paris 1913?“ vor. 1913 wird nicht nur Jeux von Debussy und einige Monate später der Sacre du Printemps von Stravinsky im Théâtre des Champs Elysées uraufgeführt, sondern die ganze Welt ist im Umbruch. Paris ist in diesem Jahr die „Kulturhauptstadt Europas“, Picasso und Braques entwickeln den Impressionismus, Diagilew und Nijinsky revolutionieren den Tanz, Mallarmé die Literatur. Jean Cocteau und Eric Satie heben die Schranken zwischen Hoch- und Alltagskultur auf, der Jazz macht in Paris Furore.
Wir werden einen Querschnitt bieten von musikalischen, literarischen und bildnerischen Quellen aus der Zeit und in einem moderierten Konzert präsentieren.
Die Modulbeschreibung sieht vor, dass das Seminar in einer hochschulöffentlichen Präsentation mündet. Alle Schritte der Erarbeitung des Rahmenthemas – Planung, Durchfürhung, Dokumentation – liegen in studentischer Hand.
Music of the World – Worldmusic
Einführung in die Musikethnologie – Musikwissenschaftliches Seminar
Als Bela Bartok 1908 begann, ausgerüstet mit dem Edison Phonographen die Volksmusik Osteuropas systematisch zu sammeln, öffnete er eine Tür zur außereuropäischen Musik, denn seine Reisen führten ihn bis in die Türkei, wo er erstmalig original orientalische Musik kennenlernte. Gleichzeitig zeigte sich Claude Debussy fasziniert von der Balinesischen Gamelanmusik, die er auf der Weltausstellung in Paris 1895 kennengelernt hatte. In Berlin gründete Carl Stumpf 1893 das Berliner Phonogramm Archiv, das systematisch Tondokumente mit außereuropäischer Musik sammelte. Zu den Pionieren der „vergleichenden Musikforschung“ gehört Erich von Hornbostel. Seither sind Aksak, der Tanz auf ungeraden Zählzeiten 7/8, und Makam, das arabische Tonsystem, in das Bewusstsein Europäischer Forscher getreten. Auch in der afroamerikanischen Popularmusik, im Jazz, Blues, Rhythm & Blues, lassen sich die afrikanischen Wurzeln noch gut erkennen und die südamerikanischen Tänze Samba & Salsa haben sich aus ihren afrikanischen Ursprüngen heraus mit hispanischer Musik gemischt. Heute gibt es kaum einen Musikstil der Welt, der nicht durch YouTube-Videos dokumentiert wäre: angefangen von den polyrhythmischen Kompositionen der Aka Pygmäen in Zentralafrika über die meditativen Sitar-Klänge eines indischen Ragas bishin zu den vielfach sich überlagernden Ostinati der balinesischen Gamelanorchester. Musik aus aller Welt ist heute überall verfügbar geworden und deshalb liegt es nahe, dass sich daraus ein neuer Stil entwickelt, der unter dem Label worldmusic eklektisch verschiedene Musikstile mischt. In diesem neuen Genre verschwimmen die Grenzen zwischen traditioneller Volksmusik, Popularmusik und Konzertmusik. Wir wollen diesem Phänomen an verschiedenen Beispielen nachgehen.
Themen: Musik aus Afrika
Musik aus Asien
Musik aus dem Nahen Osten
Musik aus Südamerika
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind aufgerufen, eine Region oder einen Kontinent musikalisch vorzustellen. Was sind die Spezifika der Musiksprache – melodisch, rhythmisch, oder in der Form? Zu welchen Gelegenheiten wird musiziert und warum? Wie kommt es zur Akkulturatur?
Claude Debussy und die Folgen:
Eine stille Revolution in der Musik des 20. Jahrhundert
Am 22. August feiert Claude Debussy seinen 150. Geburtstag. Debussy ist ein Komponist, der aus der Schule französischer Romantiker hervorgegangen ist. Zunächst ausgebildet als Pianist, seine Idole waren Chopin und Schumann, geht er einen sehr individuellen Weg als Komponist, indem er sich von den Lehren der akademischen Musiktheorie abwendet. Was er sucht und findet ist eine neue Musiksprache, die für viele Komponisten des 20. Jh Schule machen wird. Debussys Innovationen in den Bereichen Harmonik, Rhythmik und Form sind „stille Revolutionen“, d.h. sie erzeugen eine allgemein verständliche musikalische Sprache jenseits von Dur Moll Tonalität und klassischem Formenkanon. Dabei spielt die Einbeziehung außereuropäischer Musik eine große Rolle: Die Pentatonik, die Ganztonleiter, die asymmetrischen Rhythmen, sind neue klangliche Elemente, die in Schlüsselwerken der Moderne wie Prélude à l‘après midi d’un faune oder Palléas et Mélisande eine neue musikalische Ästhetik begründeten.
Debussy gilt als der Begründer des musikalischen Impressionismus. Aber dies ist nur ein Teilaspekt seiner Bedeutung und Leistung als Komponist. Natürlich spielt das kulturelle Milieu von Paris eine große Rolle für die außergewöhnliche Karriere dieses aus bescheidenen Verhältnissen stammenden Musikers. Die Maler Manet und Gauguin, die Dichter Mallarmé und Maeterlinck, die Begegnung mit dem Balinesischen Gamelan Orchester auf der Weltausstellung 1889 haben ihn sicherlich tief geprägt und inspiriert, aber Debussy hat sich ganz bewusst als Innovator in der Musikgeschichte positioniert, dessen musikalischer Horizont weit zurück reicht in die Epoche der französischen Barockmusik, und der die musikalischen Entwicklungen in Europa von Wagner bis Mussorgsky aufmerksam rezipierte.
Seine Innovationen bilden den Ausgangspunkt für eine Kette von neuen Skalenbildungen wie den Modes avec transposition limitée Olivier Messiaens oder die harmonischen Konzepte der französischen Spektralisten Tristan Murail und Philipp Grisey. Aber auch die innovativen Orchestrierungstechniken, die er in impressionistischen Naturdarstellungen wie La Mer entwickelt, werden von vielen Filmkomponisten imitiert.
Im Zentrum des Seminar steht die Deutung und Analyse seines Klavierwerkes, das von den frühen Arabesques (1891) bis hin zu den Etudes (1915) reicht. Das Klavierwerk wird am 16. 12. im Rahmen eines Debussy-Festivals im Forum der Hochschule für Musik und Theater öffentlich aufgeführt werden.
Von Schostakowitsch bis Schnittke: Russische Musik im 20. Jahrhundert
1925 komponierte Dimitri Schostakowitsch im Alter von 19 Jahren seine 1. Symphonie. Es handelte sich eigentlich um seine Abschlussarbeit an der Musikhochschule in St. Petersburg. Sie machte ihn
schlagartig weltberühmt. Dieser internationale Ruhm ist es, der ihm eine besondere Stellung in der Musikgeschichte der Sowjetunion verschaffte und gleichzeitig sein Überleben unter der Diktatur
Stalins sicherte. Während Stalin Hunderte von „Neutönern“ in die Sibirischen Arbeitslager abtransportieren ließ, musste Schostakowitsch sein Leben lang den musikalischen Fortschritt in der
Sowjetunion im Ausland repräsentieren. Das verschaffte ihm größeren künstlerischen Bewegungsspielraum aber dieser Spielraum wurde permanent von staatlicher Seite überwacht. Wie kann unter solchen
widrigen Umständen ein so großes Oeuvre entstehen, wie es Schostakowitsch hinterlassen hat?
Einerseits fußt Schostakowitsch auf einer Blüte musikalischer Hochkultur in Russland, die mit Modest Mussogsky und Igor Strawinsky Weltruhm erlangt hatte. Das Sowjetische System förderte außerdem Instrumentalvirtuosen von Kindesbeinen an. Die Musikhochschulen in St. Petersburg und Moskau zählten zu den besten Ausbildungsstätten der Welt. Namen wie Emil Gilels, Mstislaw Rostropowitsch, David Oistrach waren Aushängeschilder für die kulturelle Überlegenheit des Sowjetischen Systems gegenüber der Westlichen Welt.
Mit dem Tod Stalin 1953 wurde eine neue Generation von jungen Komponistinnen und Komponisten aktiv, die sich nicht mehr dem Diktat der Parteifunktionäre unterwerfen wollten. Neben der etwas stilleren Sofia Gubaidulina war die Gallionsfigur für den Widerstand Alfred Schnittke. Die Aufführung seiner 1. Symphonie 1974 war ein vielbeachteter Skandal und führte zur Emigration nach Hamburg 1990. Beide wurden gefördert von Gideon Kremer, der unzählige Werke der neuen russischen Avantgarde aus der Taufe hob und im Westen bekannt machte.
Das Seminar findet in Kooperation mit der Internationalen Schnittke Akademie statt und alle Teilnehmer sind auch aufgerufen, sich an einem öffentlichen Abschlusskonzert zu beteiligen.
Kulturgeschichte der Kammermusik
Musik- und Kulturwissenschaftliches Seminar für Masterstudierende
Kammermusik ist eine intime Form des Musizierens, die zum aristokratischem oder bürgerlichen Lebensstil gehört. Eine tragende Rolle kommt dabei den Frauen zu, denn sie waren für die Musikpflege
verantwortlich. Seit 1750 kamen sie insbesondere als Interpretinnen der Klaviersonate oder im Klaviertrio zum Zuge. Viele Widmungen der Komponisten an solche musizierenden Amateurinnen geben
Zeugnis ab von diesem Entstehungsprozess. Das Streichquartett war eine Männerdomäne. Diese kulturgeschichtlichen und kulturökonomischen Voraussetzungen haben die Komponisten zu ihren Werken
inspiriert. Das Kammermusikrepertoire hat sich in den 150 Jahren seiner kontinuierlichen Entwicklung als die „dritte Säule“ neben Oper und symphonischer Musik etabliert. Mit dem Auftreten
professioneller Ensembles wie dem Schuppanzigh Quartett erweitert sich die Rezeption der Kammermusik auf das öffentliche Musikleben. Ab 1800 hört man Kammermusik zunehmend im Konzertsaal und ab
1900 auf Tonträger. Gleichzeitig blieb die Praxis des häuslichen Musikzierens bis heute erhalten.
Wir werden die verschiedenen Stationen dieses kulturgeschichtlichen Prozesses nicht chronologisch durcharbeiten, sondern eher typische Stationen heraussuchen, an denen die Kammermusik eine
besondere Bedeutung für das Musikleben erlangt hat. Dabei spielen die Interpreten der Kammermusik eine zunehmend große Rolle.
Was ist Romantik?
Musikwissenschaftliche Seminar für BA, MA und Lehramtstudierende
Im heutigen Sprachgebrauch ist der Begriff „Romantik“ allgegenwärtig: Romantikhotels, Kuschelromantik als CD mit softer Musik usw. Romantik als Musikepoche ist eigentlich schwer von der Klassik
abzugrenzen, zu fließend sind die Übergänge, und zu facettenreich verzahnt sind beide Epochen mitein-ander. Einerseits beginnt die Klassik im Zeichen der Romantik als „Sturm und Drang“ und die
Romantik endet im Zeichen der Klassik mit den Brahms-symphonien. Carl Dahlhaus beginnt deshalb seinen Essay über „Musik und Romantik“ mit der Feststellung: „Mit dem Begriff der romantischen Musik
oder der musikalischen Romantik verbindet sich in der Alltagssprache…eine Cliché-vorstellung, über die man sich, so verzerrend sie ist, nicht schweigend hinweg-setzen kann…“. Romantik als
Klischee verbindet sich mit Begriffen wie „Kitsch“, Trivialität und Banalität.
Wie ist es eigentlich zu dieser Klischeevorstellung gekommen? Wir werden dazu Beispiele nicht nur aus der Musik, sondern auch aus der Literatur und der bildenden Kunst heranziehen. Nachdem wir
den Begriff „phänomenologisch“ analysiert haben, werden wir einen neuen Blick auf die Musikepoche „Roman-tik“ wagen: eine Epoche, in der der Keim für die Moderne gelegt wurde, in der die Ästhetik
des Unfertigen, Fragmentarischen entdeckt wurde, in der die tiefen-psychologischen Dimension des Gefühls ausgelotet wurden und in der utopische Zukunftsvisionen projiziert wurden.
Am Ende des Seminars werden die verschiedenen Facetten der romantischen Kunstproduktion und ihre Trivialisierung in der Filmmusikgeschichte des 20. Jahrhunderts behandelt. Die Hollywoodsche
Traumfabrik bediente sich nämlich musikalisch, literarisch und visuell am Romantik-Klischee und schuf mit diesen Versatzstücken eine neue Kunstform.